Haben Vereine eine Zukunft?

Datum: 28.06.2020, Text: Thomas Eismann

Dieser Beitrag befasst sich mit der Klage vieler Vereine, dass die Mitgliederzahlen stetig zurückgehen und keine neuen Mitglieder dazu kommen. Dieser Beitrag bietet auch eine Lösung an. Bitte nehmen Sie sich Zeit für den Beitrag. Es dauert länger. Genauso wie Mitgliedergewinnung.

Ich kann es nicht mehr hören: “Wir werden immer weniger”, oder “Die Jugend von heute hat keinen Bock auf Vereine” oder “Bald wird es uns nicht mehr geben“. Hintergrund dieser Klagegesänge ist der stetige Mitgliederrückgang, welcher in vielen Vereinen schon existenzbedrohend ist. 50% aller hessischen Vereine haben weniger als 50 Mitglieder.

Die Ursachen sind vielschichtig. Vereine haben heute nicht mehr die Bedeutung wie noch vor 100 Jahren. Die Benutzung von Ressourcen wie Turnhallen oder Schwimmbädern war vor 100 Jahren nur Vereinen gestattet. Sprich, man musste Mitglied sein, um viele Freizeitbeschäftigungen ausüben zu können. Auch gesellschaftliche Unterschiede konnten meist nur im Verein ausgeglichen werden. Das der Schuldirektor und der Maurer das gleiche Hobby ausüben, konnte in der guten alten Zeit nur im Verein stattfinden. Im Verein fand ein gesellschaftlicher Ausgleich statt. Für viele Menschen war das damals sehr wichtig.

Aber die Zeiten haben sich geändert. Die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung in der heutigen Welt sind so vielfältig, überwältigend und sofort verfügbar, dass es den Verein gar nicht mehr braucht. Vielfach ist der Verein obsolet.

Aber, sollte man dann nicht den Kopf in den Sand stecken? Natürlich nicht. Da wo sich Menschen treffen, da wo Menschen gleiche Interessen teilen, dort hat der Verein Zukunft. Und die Kommunalpolitik fördert i.d.R. Vereine immer noch. Eine Stadthalle oder ein Dorfgemeinschaftshaus kostenlos oder sehr, sehr günstig zu mieten, ist für viele Vereine in sehr vielen Kommunen Deutschlands immer noch möglich.

Vereine haben dann Zukunft, wenn sie sich den Bedürfnissen der Menschen der Gegenwart und Zukunft annehmen und Lösungen bieten. Dies wird in 30 Jahren noch so sein!

Wie aber gewinnt man neue Mitglieder? Ganz einfach, dorthin gehen, wo die Menschen sind. Dort den Verein vorstellen, die Vorteile aufzeigen und die Menschen dort abholen. Das sind Sprüche aus dem Vertrieb und Marketing. Ja und? Der Verein ist ein Produkt und sucht Kunden, auch Mitglieder genannt. Und wo sind die neuen Kunden, sorry Mitglieder? Im Internet, wo sonst!

Ich schaue mir doch auch die Bewertungen vom Restaurant an, um zu entscheiden, ob ich mit meiner Familie oder Freunden am Samstag dort hingehe. Ebenso informiere ich mich über Ärzte, Hotels oder Autohäuser. Man versucht sich mit Hilfe des Internets über eine Firma und deren Produkte zu informieren oder was Kunden über die Firma sagen. Bei Vereinen ist es nichts anderes.

Was für ein Repertoire hat der Gesangsverein? Wie sehen beim Reitverein die Ställe für die Pferde aus oder welche Fahrten macht der Wintersportverein? Diese Fragen will ich vor einer persönlichen Kontaktaufnahme gern beantwortet haben. “Aber die können doch bei uns anrufen” sagte mir erst kürzlich wieder der Vorsitzende vom örtlichen Reiterverein. Ja, das könnten sie, machen sie aber nicht. Vielleicht war es vor dem Internetzeitalter die einzige Möglichkeit, sich über einen Verein zu informieren. Heute ist das anders!

Die Zeiten haben sich nun mal geändert. Heute ruft man nicht erst den Vorstand des Gesangsverein an, um sich über Probenzeiten, Auftritte oder Mitgliedsbeiträge zu informieren. Sondern, man sucht den Verein im Internet und will dort die Antworten auf seine Fragen haben. Jetzt, hier und sofort! Das mögen viele blöd finden, aber so ist es. Die Informationsgewinnung im 21. Jahrhundert geschieht im ersten Schritt fast immer über das Internet. Die Vorteile sind unbestreitbar. Ich kann rund um die Uhr recherchieren, brauche mit keinem reden, kann mir einen ersten Eindruck verschaffen und bin dazu noch anonym.

Was ist, wenn der Verein im Internet nicht zu finden ist? Ganz einfach, es ist genau das Gleiche, wie wenn das Restaurant keine tolle Seite im Internet hat. Man geht nicht hin! Auch wenn es manche Vorstände heute nicht wahr haben wollen. Es ist so!

Und da es so ist, muß der Verein ins Internet. Und dies in einer Form, die dem Interessenten die Möglichkeit gibt, sich die grundlegendsten Informationen zu verschaffen und einen ersten Eindruck zu gewinnen. Welche Plattform der Verein im Internet dabei wählt, hängt natürlich von der Art des Vereins ab. Ob Internetseite, ob Facebook, YouTube, Instagram oder was es auch immer in der Zukunft für Präsentationsplattformen geben wird, muß im Einzelfall entschieden werden. Geht dorthin, wo die Leute sind und holt sie dort ab! Der Interessent soll das Gefühl bekommen, Teil einer besonderen Gemeinschaft zu werden. Ein Video über den stimmengewaltigen Auftritt des Gesangsvereins beim Dorferneuerungsfest muß Emotionen auslösen und den Wunsch: “Das will ich auch machen!”.

So geht Marketing. So geht Mitgliedergewinnung!

Man muß sich auf einen langen Weg einstellen. Die Erstellung einer Vereinspräsentation im Internet bringt nicht automatisch zehn neue Mitglieder pro Jahr. Es ist ein wichtiger Teil der Mitgliedergewinnung, aber nicht der Einzige.

Um das Ziel zu erreichen, müssen neue Ideen, Gedanken und meist auch neue Mitglieder in den Vorstand. Viele Vorsitzende sind 50 Jahre im Verein und davon 30 Jahre Vorsitzende. So wird das nichts. Wie sollen neue Ideen umgesetzt werden, wenn der Vorsitzende das Internet nur aus Katzenvideos kennt. Sprecht in einer Mitgliederversammlung das Thema an, und nicht nur unter “Verschiedenes” im letzten Tagesordnungspunkt. Macht es zur Chefsache, gleich hinter den Vorstandswahlen. Habt Mut, auf Eure Mitglieder zu zugehen. Ihr werdet verblüfft sein, wie viel Energie und Ideen zurückkommen

Ihr braucht die Realisierung der Präsentation nicht selbst zu machen. I.d.R. finden sich immer Ein oder Zwei aus den Reihen der Mitglieder, welche sich auskennen und die Ideen auch umsetzen können. Macht ein Projekt daraus und setzt es Stück für Stück um. Es ist kein Eintagesgeschäft. Ein langer Atem über viele Jahre ist notwendig, aber es lohnt sich.

Viel Spaß
Thomas Eismann
Vorsitzender in Juni 2020
thomas.eismann@nachbarschaftshilfe-breuberg.de